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Review: Little Nightmares III

von Andreas · ca. 4 Min. Lesezeit
Little Nightmares III

Manchmal ist das Schlimmste an einem Albtraum nicht die Angst selbst, sondern die Gewissheit, dass man ihn teilen muss. Little Nightmares 3 führt diese Idee auf beklemmende Weise fort. Statt uns wie bisher allein durch die groteske Zwischenwelt zu hetzen, zwingt uns der dritte Teil dazu, im Duo zu überleben und er zeigt, dass Nähe nicht immer Trost bedeutet. Nach dem Wechsel von Tarsier Studios zu Supermassive Games war die Skepsis groß. Kann das neue Team den besonderen Mix aus bedrückender Atmosphäre, unterschwelligem Ekel und kindlicher Verletzlichkeit bewahren? Die Antwort: ja, aber nicht ohne Blessuren.

Zwei neue Kinder, eine vertraut unheimliche Welt. In der sogenannten Spirale, einer düsteren Dimension zwischen Traum und Realität, erwachen Low, ein Junge mit Rabenmaske und Bogen, und Alone, ein Mädchen mit rotem Haar und Schraubenschlüssel. Gemeinsam versuchen sie, dem Ort namens Nowhere zu entkommen, der von einer unbekannten Macht kontrolliert wird.

Wie schon in den Vorgängern liegt der Fokus weniger auf Action, sondern auf einer Mischung aus Rätseln, Schleichpassagen und Plattform-Elementen. Die Steuerung bleibt bewusst träge, die Figuren bewegen sich schwerfällig, als laste das Gewicht ihrer Angst auf jedem Schritt. Low schießt mit seinem Bogen Seile durch, aktiviert entfernte Schalter oder hält Gegner auf Distanz, während Alone mit ihrem Werkzeug Mechanismen betätigt, Zahnräder dreht oder brüchige Wände zerschlägt. Neu hinzu kommen ein Regenschirm, mit dem sich die beiden durch Aufwinde tragen lassen, sowie eine Taschenlampe für besonders dunkle Abschnitte.

Die Reise führt durch vier Kapitel, von der staubigen Wüstenstadt Nekropolis über eine Süßwarenfabrik, deren eklige Bonbonarbeiter Albträume verursachen, bis hin zu einem bizarren Karneval und einem verlassenen Institut als Finale. Das Leveldesign wirkt anfangs abwechslungsreich, doch die Rätsel wiederholen sich bald. Viele Passagen bestehen aus simplen Trial-and-Error-Momenten: Kiste verschieben, Hebel betätigen, davonlaufen. Nur selten überrascht Little Nightmares 3 mit wirklich neuen Ideen.

Trotzdem gelingt Supermassive das Kunststück, den Spannungsbogen konstant hochzuhalten. Wenn im Hintergrund riesige Schatten lauern, der Boden unter den Füßen ächzt und wir panisch in den rettenden Lichtkegel einer UV-Lampe flüchten, entfaltet das Spiel seine alte Magie. Die Fluchtsequenzen, allen voran jene gegen die vielarmige Aufseherin der Fabrik, gehören zu den Höhepunkten. Dennoch fehlt der Reihe mittlerweile der Mut, spielerisch neue Wege zu gehen. Viele Aufgaben fühlen sich an wie Variationen altbekannter Szenen, solide, aber vorhersehbar.

Die Spielzeit bleibt mit vier bis sechs Stunden kompakt. Sammelbare Puppen verlängern sie nur minimal, zwei zusätzliche Kapitel sind als DLC im Frühjahr 2026 geplant. Dass Little Nightmares 3 trotz neuer Werkzeuge so wenig spielmechanische Tiefe entwickelt, ist die größte vertane Chance dieses Ablegers.

Grafik

Wo das Gameplay stagniert, glänzt die Präsentation. Supermassive hat die visuelle DNA der Reihe perfekt eingefangen. Jede Kulisse wirkt wie ein alptraumhaftes Diorama: schmutzig, überzeichnet, grotesk schön. Zwischen dampfenden Rohren, verrosteten Zahnrädern und kriechenden Gestalten entfaltet sich eine bedrückende Poesie, die kaum ein anderes Horror-Spiel erreicht.

Die Licht- und Schatteneffekte sind grandios. Wenn sich Nebel über die Straße legt oder grelles Neonlicht den Zirkus in ein surreal flackerndes Spektakel taucht, fühlt man die Spannung physisch. Besonders eindrucksvoll ist das Zusammenspiel von Schärfentiefe und Farbgebung: warme Gelbtöne suggerieren Sicherheit, bevor sie abrupt in kaltes Blau kippen und das Unheil ankündigen.

Sound

Beim Sounddesign bleibt Little Nightmares 3 seiner Linie treu. Musik gibt es nur in kurzen, gezielten Momenten. etwa während Verfolgungsjagden oder Boss-Begegnungen. Stattdessen dominieren Geräusche: das Knarzen von Holz, das leise Tropfen in einem Rohr, das wummernde Stampfen eines unsichtbaren Riesen. Kopfhörer sind Pflicht, denn viele Schreckmomente entstehen allein durch akustische Hinweise. Die Sprecher fehlen bewusst; das Spiel kommuniziert durch Körpersprache und Klang. Gerade diese Stille sorgt für eine unheimliche Intimität, die selbst große Horror-Produktionen selten erreichen.

Multiplayer

Die größte Neuerung ist gleichzeitig das größte Reizthema: der Koop-Modus. Zum ersten Mal darf man Little Nightmares gemeinsam erleben, allerdings ausschließlich online. Ein Couch-Koop fehlt komplett. Die Begründung der Entwickler: Manche Szenen trennen die Figuren räumlich, ein Splitscreen hätte die Inszenierung gestört. Doch das bleibt für uns unverständlich, denn gerade die Atmosphäre des Spiels würde sich hervorragend für gemeinsames Gruseln auf der Couch eignen, dies wäre mit einem passenden Leveldesign sicher besser umsetzbar gewesen.

Trotzdem ist der Koop solide umgesetzt. Beide Figuren erfüllen ihre eigenen Aufgaben, müssen Hebel synchron ziehen, Wege freimachen oder sich gegenseitig helfen. Wer alleine spielt, bekommt eine KI-Begleitung, die überraschend kompetent agiert, manchmal zu sehr. Sie löst Rätsel eigenständig oder läuft unbemerkt weiter, was zwar den Spielfluss erhält, aber auch Spannung raubt.

Positiv: Dank des Friend’s Pass braucht nur eine Person das Spiel zu besitzen. Der Koop funktioniert generationen- und plattformübergreifend.. Die Verbindung läuft stabil, kleinere Synchronisationsfehler oder minimale Ruckler stören kaum. Insgesamt überzeugt der Mehrspielermodus als atmosphärische Ergänzung, auch wenn er nicht das kreative Potenzial entfaltet, das ein Titel wie It Takes Two vorgemacht hat.

Fazit

Andreas
Andreas
YouGame Redaktion
Little Nightmares 3 ist kein Neuanfang, sondern eine Rückbesinnung auf das Beklemmende. Supermassive Games liefert ein handwerklich starkes, stimmungsvolles Abenteuer, das den Geist der Reihe versteht, aber nur selten weiterdenkt. Die optische und akustische Inszenierung bleibt überragend, die emotionalen Momente zwischen Low und Alone berühren auf unerwartete Weise. Doch hinter der makabren Fassade steckt spielerisch wenig Neues.

Die Rätsel sind oft zu einfach, das Leveldesign wirkt stellenweise leer, und das Fehlen eines lokalen Koop-Modus ist schlicht unverständlich. Dennoch entfaltet das Spiel immer wieder diese eigentümliche Faszination, die Little Nightmares so einzigartig macht. Dieses Gefühl, winzig zu sein in einer Welt, die einen verschlingen will.

Wenn im Finale die Schatten lautlos näherkommen und die Kinder sich an den Händen halten, wird klar: Little Nightmares 3 lebt nicht von Innovation, sondern von Atmosphäre. Und die liefert es mit einer Wucht, die einem im Dunkeln noch lange nachhallt.
Grafik
9/10
Sound
9/10
Multiplayer
7/10
Gameplay
7/10
Spielspaß
8/10