Ein neuer Sturm zieht auf - und er ist gnadenloser denn je. Frostpunk 2 führt die Menschheit erneut an den Rand des Untergangs, in eine Welt, in der Moral und Überleben längst nicht mehr zu trennen sind. Dreißig Jahre nach dem Ende des ersten Teils versucht New London, aus der Asche einer untergegangenen Zivilisation neu zu entstehen. Doch die Kälte hat nicht nur das Land, sondern auch die Herzen gefroren.
Wie schon im Vorgänger geht es nicht bloß darum, Häuser zu bauen und Ressourcen zu verwalten. Frostpunk 2 ist ein moralisches Experiment, ein politisches Strategiespiel und eine emotionale Prüfung zugleich. Der Nachfolger erweitert den Fokus von einer kleinen Kolonie hin zu einer ganzen Metropole – New London. Statt Einzelgebäuden entstehen ganze Distrikte, deren Aufbau, Ideologien und Bedürfnisse in einem fragilen Gleichgewicht gehalten werden müssen. Jede Entscheidung, jedes Gesetz, jede Priorität zieht Konsequenzen nach sich. Und egal, was man tut: Jemand wird leiden.
Das Herzstück ist das Zusammenspiel aus Ressourcenmanagement, Stadtplanung und politischer Führung. Öl und Kohle halten die Stadt am Leben, doch ihre Förderung erfordert Arbeitskraft, Organisation und Opfer. Jeder Distrikt kann erweitert werden und bietet Platz für spezialisierte Gebäude, die zusätzliche Effekte liefern: Ein Gewächshaus im Nahrungsbezirk steigert den Ertrag, ein Krankenhaus im Wohnviertel verbessert die Gesundheit der Bewohner. Alle Produktionsstätten benötigen Arbeitskräfte, die sich, wie in Anno, aus der Bevölkerung speisen.
Neben Nahrung, Material und Waren ist die Wärme die wichtigste Ressource im Spiel. In der Mitte der Stadt thront der mächtige Generator, der die umliegenden Bezirke mit Energie versorgt. Während Kohle nach wie vor gefördert wird, kommt mit dem zweiten Teil eine neue Energiequelle hinzu: Öl. Dieses schwarze Gold befindet sich jenseits des Kraterrands, also dort, wo das Überleben noch gefährlicher wird. Um an diese Ressourcen zu gelangen, müssen wir Expeditionen in das Frostland entsenden, um Außenposten zu errichten und das Netz der Zivilisation langsam zu erweitern. Diese Expeditionen sind ein zentraler Bestandteil des Spiels. Wie schon im Vorgänger schicken wir Teams in die gefrorene Einöde, um Rohstofflager, Überlebende oder neue Siedlungsorte zu entdecken. Neu ist die Möglichkeit, zusätzliche Kolonien zu gründen. Diese sind zwar weniger komplex als New London selbst, müssen aber trotzdem versorgt und verwaltet werden. In der Kampagne erschließen wir beispielsweise ein Lager mit reichen Ölvorkommen, das aber keine Nahrung produzieren kann, also müssen wir Handelsrouten aufbauen, um beide Seiten am Leben zu erhalten.
Dabei gilt es ständig, den wachsenden Bedarf an Ressourcen auszugleichen. Neue Bewohner, kälteres Wetter und politische Entscheidungen verändern das fragile Gleichgewicht immer wieder. Die gefürchteten Whiteouts (gewaltige Schneestürme aus dem Vorgänger) kehren ebenfalls zurück und können Handelswege für Tage unterbrechen. Nur größere Kolonien halten in dieser Zeit ihre Transportrouten aufrecht. Für diese Phasen muss man im Voraus planen und Vorräte anlegen, sonst erfriert die Bevölkerung gnadenlos.
Die Faszination des Spiels liegt genau darin – in der Unmöglichkeit, es allen recht zu machen. Während die Temperatur sinkt und der Wind die letzten Spuren von Menschlichkeit fortbläst, beginnt im Inneren der Stadt ein neuer Krieg: der um Macht, Einfluss und Ideologie. Fünf Fraktionen vertreten ihre Weltbilder, vom religiösen Eifer bis zum kalten Pragmatismus. Als Spieler bist du kein reiner Architekt, sondern ein Politiker, der zwischen Vision und Realität zerrieben wird. Jede Abstimmung im Stadtrat ist ein Drahtseilakt, jeder Kompromiss kostet Ansehen oder Menschenleben. Das Pacing bleibt gnadenlos. Jede Minute zählt, jede falsche Entscheidung rächt sich mit Hunger, Krankheit oder Revolten. Doch gerade diese Strenge verleiht dem Spiel seine Intensität. Wenn man nach Stunden der Planung die Stadt durch einen weiteren Sturm bringt, fühlt sich das an wie ein Triumph über das Schicksal selbst.
Grafik
Optisch ist Frostpunk 2 ein bedrückendes Meisterwerk. Die schneebedeckten Städte wirken wie vergängliche Kunstwerke im Sturm, durchzogen von den warmen Lichtquellen der Generatoren. Besonders eindrucksvoll ist das Zusammenspiel aus Nebel, Rauch und Licht – die Stadt pulsiert wie ein lebendiger Organismus im Eis. Wenn Schneestürme über die Gebäude hinwegfegen oder sich die Dunkelheit über New London legt, spürt man förmlich die erdrückende Kälte.
Auch auf Konsolen überzeugt das Spiel mit einer sauberen Darstellung, flüssigen Animationen und einer beeindruckenden Weitsicht. Lediglich bei großen Städten oder hektischen Kamerabewegungen kann die Performance leicht ins Stocken geraten. Doch das mindert kaum den visuellen Eindruck, Frostpunk 2 sieht schlicht fantastisch aus.
Sound
Der Sound ist eine Klasse für sich. Das Heulen des Windes, das metallische Schlagen der Maschinen und das entfernte Rufen der Bürger verschmelzen zu einer dichten Klangkulisse, die einen sofort in die Welt zieht. Der orchestrale Soundtrack untermalt die Stimmung perfekt – mal leise und melancholisch, mal gewaltig und tragisch.
Die Musik weiß genau, wann sie sich zurücknehmen und wann sie überwältigen muss. Besonders in Momenten des Zusammenbruchs oder in hitzigen Ratsdebatten entsteht eine Atmosphäre, die emotional kaum intensiver sein könnte. Frostpunk 2 klingt so, wie es sich anfühlt: kalt, erdrückend und voller Gewicht.
Fazit
Die technische Umsetzung überzeugt, die Stimmung ist einzigartig, und das moralische Dilemma, das sich durch jede Minute zieht, macht Frostpunk 2 zu einem außergewöhnlichen Erlebnis. Kein Titel, den man „gewinnt“, sondern einer, den man übersteht und genau das macht ihn so besonders.






