Mit Kavango präsentiert Schmidt Spiele eines der eindrucksvollsten Brettspiele des Jahres, thematisch, visuell und spielmechanisch. Entwickelt in Zusammenarbeit mit Naturschutzexperten, entführt das Spiel in die faszinierende Welt des Kavango-Zambesi-Naturraums im südlichen Afrika. Ziel ist es, ein eigenes Reservat aufzubauen, bedrohte Tierarten zu schützen und gleichzeitig globale Umweltziele zu fördern. Zwischen strategischem Handeln, Kooperation und nachhaltigem Denken entsteht ein harmonischer Mix aus Spiel und Botschaft.
Der Ablauf ist überschaubar, aber tiefgründig. Über drei Runden wählen die Spieler Karten aus einer gemeinsamen Hand, sogenannte Drafting-Phasen, bei denen Tier-, Aktions- und Nahrungskarten durchgereicht werden. Jede Karte kann über Sieg oder Stagnation entscheiden. Nahrungskarten erweitern die Basis des eigenen Ökosystems: Gras, Bäume, Fische und Insekten bilden die Grundlage für neue Arten. Tierkarten hingegen bringen Punkte, erfordern aber passende Nahrung und ein gewisses Schutzniveau im eigenen Reservat. Aktionskarten wiederum bieten taktische Vorteile, etwa zusätzliche Ressourcen, Tauschmöglichkeiten oder das Zurückholen zuvor abgeworfener Tiere.
Besonders spannend ist der Balanceakt zwischen Egoismus und Zusammenarbeit. Viele Tierarten können nur angesiedelt werden, wenn auf dem globalen Klimaschutz-Tableau ein bestimmtes Schutzniveau erreicht wurde, ein Ziel, das alle Spieler nur gemeinsam erreichen. Gleichzeitig konkurriert jeder um Forschungsaufträge und Artenvielfalt. Wer rechtzeitig investiert, sichert sich Vorteile, wer zu lange wartet, riskiert, dass begehrte Tierkarten an den Mitspieler gehen. Die Mechanik erzeugt ein permanentes Mitdenken, ohne je stressig zu wirken.
Trotz seiner thematischen Tiefe bleibt Kavango angenehm zugänglich. Die Regeln sind klar, die Runden fließen schnell ineinander, und die grafische Gestaltung hilft, komplexe Zusammenhänge intuitiv zu erfassen. Das Spielmaterial ist von außergewöhnlicher Qualität: doppellagige Tableaus, stabile Kartenhalter, liebevoll illustrierte Tierkarten – und völlig plastikfrei. Schon der Anblick des eigenen Reservats, das sich im Verlauf einer Partie zu einem farbenprächtigen Lebensraum entwickelt, ist ein Erlebnis für sich.
Auch spielerisch überzeugt Kavango mit Flexibilität. Ob zu zweit, zu dritt oder in voller Besetzung: Das Drafting bleibt spannend, die Dynamik ausgewogen. Strategisch verlangt das Spiel, Prioritäten zu setzen, investiere ich in neue Lebensräume oder sichere ich mir seltene Arten für spätere Bonuspunkte? Selbst kleine Entscheidungen haben Konsequenzen, ohne den Spielfluss zu bremsen. Wer will, kann auch in einer Kampagne über mehrere Partien hinweg spielen und neue Tierarten freischalten.
Vergleiche mit 7 Wonders, Wingspan oder Ark Nova drängen sich auf und sind doch nur teilweise zutreffend. Kavango vereint bekannte Elemente, aber mit einer eigenen Seele. Es ist weniger ein Wettkampf, mehr ein meditatives Bauen, weniger ein Engine Builder, mehr ein Kreislauf. Es belohnt nachhaltiges Denken und vorausschauendes Handeln und verpackt all das in ein Spiel, das trotz seines komplexen Themas nie belehrend wirkt.
Fazit
Das hochwertige Material, die stimmungsvolle Grafik und der klare Spielrhythmus machen Kavango zu einem echten Wohlfühlspiel auf Kennerspielniveau. Wer Spiele wie Wingspan oder 7 Wonders mag, findet hier ein ebenso zugängliches, aber emotionaleres Erlebnis. Ein durchdachtes, schönes und bewusstes Spiel – das bleibt hängen.
Top-Artikel der letzten 7 Tage
